hier mein Bericht über den tragischen Tod meines Freundes Peter am K2


 

Nordlicht 1993

 

17.06. -19.08.1993

 

Ziel ist der K2 - 8611m- über den Abruzzigrat

 

Dieser Bericht wurde aus den Tagebuchaufzeichnungen von Peter Mezger und Ernst Eberhardt sowie durch meine Gespräche mit Ernst nach dessen Rückkehr von mir erstellt.

Zu dieser Zeit bin ich Leiter der Bergsteigergruppe bei der Sektion Schwaben DAV gewesen.

Peter Mezger war 2. Vorsitzender der Sektion Schwaben und mein Vorgänger als Leiter der Bergsteigergruppe und natürlich unser aktives Mitglied in der Bergsteigergruppe.

 

Die Expeditionsteilnehmer:

 

Expeditionsleiter:

Reinmar Joswig aus Bremen

 

stellv. Expeditionsleiter:

Peter Mezger aus Böblingen

 

Ernst Eberhardt aus Frickenhausen

Anatoli Bukrev aus Alma Ata

Andrew Lock aus Australien

 

 

Abflug von Frankfurt am 17.06.1993.

 

Über Karachi, Rawalpindi und Islamabad, wo noch viele Formalitäten und Einkäufe getätigt wurden, ging die Reise nach Skardu. Hier wurden 75 Träger angeheuert und der Proviant ergänzt.

Nachdem viele Probleme ausgeräumt waren, konnte sich die Expedition endlich, mit einiger Verspätung auf den Weg in Richtung Base Camp (BC) machen.

Die Strecke von Skardu nach Askole beträgt ca. 120 km und wird mit Jeep's zurückgelegt. Sie führt über Shigar, Bong La und entlang der gefährlichen Braldo Schlucht.

Askole ist der letzte Ort, bevor der Weg über den Schutt und das Eis des Baltorogletschers, vorbei an so faszinierenden Berggestalten wie dem Mustagh Tower, Masherbrum und Mitre Peak nach Concordia führt.

Concordia kann man sich als riesigen Platz vorstellen, der von den dort zusammen treffenden  Baltoro- und Godwin-Austen-Gletschern, sehr stark zerklüftet und spaltenreich, sowie von unzähligen größeren und kleineren Gletscherflüssen zerrissen ist.

Erst von Concordia sieht man den K2 in seiner überwältigenden Mächtigkeit und Schönheit.

 

Ein Militärposten bei Concordia stationiert, ist mit einem Telefon ausgestattet und vom BC von einem Postläufer in etwa 4-5 Stunden zu erreichen.

 

 

Unter normalen Umständen ist also dieser Militärposten die erste Anlaufstelle um im Notfall eine Hilfsaktion z.B. einen Hubschraubereinsatz anfordern zu können. Allerdings darf man bei den technischen Geräten nicht unseren Standard erwarten.

Es hat sich gezeigt, dass dieses Telefon, zu dem Zeitpunkt wo man es benötigt hätte, nicht funktionsfähig gewesen ist.

Die Sprecheinrichtung bei einem der Militärposten bestand z.B. nur aus der Membrandose, welche lose mit 2 Kabeln verbunden, in der Hand gehalten werden konnte. Wenn also wie in diesem Fall der Militärposten keine Nachricht weitergeben kann, muss ein Bote den nächsten, etwa weitere 6 Stunden entfernten Militärposten anlaufen um die Nachricht weitergeben zu können.

 

Von Concordia aus erreicht man die Stelle wo die Expeditionen üblicherweise ihr BC in ca. 5000m errichten, am Fuß des K2 nach 1/2 Tag anstrengendem Fußmarsch.

Die Zelte werden auf einer Moräne des Godwin-Austen-Gletschers aufgestellt und sind für die nächsten Wochen der Mittelpunkt für die Bergsteiger.

 

Die Expedition trifft am  06.07. also 20 Tage nach dem Abflug von Frankfurt, im BC ein. Das ist etwa 7 Tage später, als im ursprünglichen Zeitplan vorgesehen gewesen.

Die Gründe für diese Verzögerung waren z.B. dass beim Flug verloren gegangene Gepäckstücke Ersatz beschafft werden musste. Der ursprünglich vorgesehene Verbindungs-Offizier war nicht verfügbar und die Nominierung eines Ersatzmannes zog sich über mehrere Tage hin.

 

Das Errichten der Hochlager erfolgt in der Zeit vom 06.- 20.07.93.

Am 19.07. wird zum 1. Mal das Lager 3 erreicht und eingerichtet.

 

Durch Schlechtwetter bedingt sind alle Teilnehmer vom 20.-24.07. im BC.

Samstag 24.07.

Die gesamte Mannschaft startet wieder zum L1 und schleppt Ausrüstung und Verpflegung, um die Hochlager mit den erforderlichen Utensilien zu vervollständigen.

 

Sonntag 25.07.

Es erfolgt der weitere Aufstieg nach L2. Dort angelangt stellt Peter fest, dass durch einen Sturm während der vorangegangenen Schlechtwetterperiode, 1 Zelt mit Inhalt zerfetzt und in die Tiefe geschleudert wurde. Dabei befanden sich wesentliche und lebensnotwendige Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände von ihm.

Für Peter stand zu diesem Zeitpunkt fest, dass der Gipfel und somit natürlich auch der weitere Aufstieg dadurch für ihn nicht mehr möglich ist.

Peter machte sich deshalb auf den Weg zurück und traf dort auf Ernst, der mit seiner Last noch im Aufstieg war und schildert ihm die Situation.

 

Ernst und Peter sind dann gemeinsam zum L2, um dort die Lage nochmals zu besprechen. Ernst bietet Peter an, dass er die für den weiteren Aufstieg erforderliche Ausrüstung von ihm bekommen kann.

An diesem Tag sind alle 5 Teilnehmer der Nordlicht Expedition im L2 und verbringen auch die Nacht dort oben.

 

Montag 26.07.

Das Wetter ist nicht gut und erlaubt keinen weiteren Aufstieg. Peter, Reinmar, Anatoli und Andrew bleiben im L2.

Ernst macht sich heute auf den Weg zurück ins Basislager. Er übernachtet im L1 und steigt am 27.07. ins BC ab.

 

Der letzte Tagebucheintrag am 26.07. von Peter besteht aus einem Zeitplan für den weiteren Weg zum Gipfel und bezieht sich auf einen Wetterbericht der vermutlich von den Schweden übermittelt wurde.

 

Er lautet wie folgt:

der 30.07. ein Schönwettertag

28.07. nach L3,

29.07. nach L4

30.07. Gipfel.

 

Dienstag 27.07.

Das Wetter lässt ein weiteres Aufsteigen zu. Die Mannschaft bringt Material und Ausrüstung ins L3. Peter und Andrew kehren aber wieder zum L2 zurück.

Reinmar und Anatoli übernachten im L3.

Mittwoch 28.07.

Peter und Andrew steigen wieder zum L3 auf.

 

Donnerstag 29.07.

Anatoli. Andrew, Reinmar und Peter, sowie 2 Schweden erreichen das L4 auf ca. 8000m.

 

Freitag 30.07.

Um 4:00 Uhr starten alle 6 in Richtung Gipfel. Das Wetter ist gut, es ist klare Sicht, sehr kalt.

 

Im zuerst eintönigen Aufstieg kommt nun der sogenannte Flaschenhals. Es handelt sich dabei um eine im oberen Teil etwa 60° steile und oftmals vereiste Firnrinne.

Peter meldet sich um 10:00 Uhr bei Ernst über Funk aus dem Flaschenhals. Daran anschließend kommt eine heikle Querung nach links unterhalb eines riesigen Serac's. Diese Querung ist etwa 80 m lang und es werden dort von Reinmar und Peter Fixseile angebracht. Aus dieser Traversierung meldet sich Peter bei Ernst wieder über das Funkgerät um 12:00 Uhr.

Anatoli sagte später als er wieder zurück im BC war, dass es in dieser Traversierung Blankeis hatte und die daran anschließenden Schneeverhältnisse sehr schwierig gewesen sind. ( Wie Zucker ).

 

Die Fixseile wurden angebracht um den nachfolgenden Kameraden den Aufstieg etwas leichter zu machen, aber hauptsächlich, um allen beim Abstieg die dann an dieser Stelle notwendige Sicherheit zu bieten.

Die Sicherungsarbeiten in dieser Höhe(ca. 8300m) sind allerdings äußerst anstrengend und wie man an den Zeiten erkennen kann, sehr zeitraubend.

 

Am Ende der Traversierung meldet sich Peter wieder über Funk um 14:00 Uhr.

 

Zum Gipfel sind es noch 250 – 300 Höhenmeter.

Der weitere Anstieg fordert von jedem nochmals den absoluten körperlichen Einsatz.

Durch ein starkes Teleskop der schwedischen Mannschaft im Basislager, kann Ernst um ca. 19:00 Uhr ein kurzes Stück des oberen Gipfelgrates einsehen und auch einzelne Bergsteiger erkennen. Auch durch diese Beobachtung gestützt kann man sagen, dass die Freunde dort oben, durch alle in dieser Höhe bedingten Umstände, nur noch etwa 50 – 70 Höhenmeter in einer Stunde höher steigen konnten.

 

Um 17:15 Uhr ist Peter auf dem Gipfel und hat wieder mit Ernst über Funk Kontakt.

 

Es war eine herrliche Aussicht und Peter sprach von grimmiger Kälte. Anatoli war schon etwa 3/4 Std. auf dem Gipfel also gegen 16:30 Uhr. Er hat mit Peter zusammen noch ein paar Bilder gemacht und sich daraufhin sofort an den Abstieg gemacht.

 

Andrew erreicht den Gipfel um etwa 17:30 Uhr.

Reinmar ist etwa gegen 20:00 Uhr auf dem Gipfel.

Die beiden Schweden* sind nach Andrew auf dem Gipfel des K2. (ca. 18:30 Uhr der erste)

*Zur gleichen Zeit wie die Nordlicht Expedition sind an diesem Tag auch noch eine schwedische Expedition auf dem Weg zum Gipfel.

 

Über die genaue Reihenfolge des Abstiegs vom Gipfel zurück ins L4 gibt es keine eindeutigen Berichte und Aussagen.

 

Die Nacht war klar und das bei nahezu Vollmond.

Anatoli trifft vermutlich gegen 20:00 Uhr im L4 ein.

Andrew erreicht dieses Lager später.

Peter und Reinmar kommen nicht ins L4 zurück.

Keiner der Rückkehrer kann berichten was mit Peter und Reinmar passiert ist. Das Fehlen von Peter wurde festgestellt, als Andrew bei Anatoli im L4 eintraf.

 

Samstag 31.07.

Am Morgen gegen 5:00 Uhr trifft Rafael Jensen, einer der beiden aus der schwedischen Mannschaft im L4 bei Anatoli und Andrew ein und berichtet, dass sein Kamerad Daniel Bidner auf dem Abstieg vollkommen geschwächt und durch Höhenkrankheit gezeichnet, gestürzt und tot ist.

 

Die drei bleiben bis gegen 11:00 Uhr im L4 und beobachten den Aufstiegsweg um vielleicht doch noch eine Spur von den Vermissten zu finden.

 

Anatoli und Andrew machen sich mit dem unter starken Erfrierungen und auch sonst sehr stark geschwächten Rafael auf den Rückweg ins BC.

 

Eine englische Mannschaft. welche sich zu dieser Zeit im L3 befindet wird über Funk darüber unterrichtet, dass Anatoli und Andrew mit dem Rafael Probleme haben und gebeten, Hilfe zu leisten.

Die Engländer gehen am 01.08. den Dreien entgegen, übernehmen Rafael und treffen mit ihm am 02.08. im BC ein.

Andrew und Anatoli sind schon am 01.08. im BC zurück.

 

Rafael Jensen hat starke Erfrierungen und ist auch sonst sehr geschwächt und er wird am 05.08. mit dem Hubschrauber nach Skardu geflogen.

 

Anatoli geht am 05.08. noch einmal zum L1, um die Zelte von dort zu holen.

Ernst ist damit beschäftigt, die Ausrüstung des Basislager zum Rückmarsch vorzubereiten, d.h. alles einzupacken und in entsprechende Packstücke für den Transport durch die Träger, welche inzwischen angefordert wurden, vorzubereiten.

 

Mit Hilfe eines Satelitentelefon, das eine holländische Expedition mitführte, die zur gleichen Zeit im BC waren, konnte Ernst am 31.07. gegen 8:30 Uhr MESZ seiner Frau von dem tragischen Verschwinden bzw. nicht Ankommen in L4 von Peter und Reinmar berichten. Die Frau von Ernst hat mich dann direkt über das Unglück informiert. Auch gab es an dem Tag ein kurzes direktes Telefonat von mir mit Ernst, aber ohne weitere nähere Informationen.

 

Ich habe daraufhin die Familie von Peter und Reinmar informiert.

 

Der Verbindungs-Officer (V-O) hat zwischenzeitlich am 01.08. einen Postläufer zu der Militärstation bei Concordia geschickt um die für den Rückmarsch erforderlichen Träger anzufordern. Der Läufer kam an diesem Tag wieder zurück und konnte nur mitteilen, dass das Telefon nicht funktioniert hat.

Somit konnte die Nachricht an diesem Tag nicht mehr dort ankommen, wofür sie bestimmt war. Der Bote ist nicht von alleine darauf gekommen, dann zum nächsten Militärposten zu laufen.

Dies hat der V-O am nächsten Tag dann selbst gemacht.

 

Am 02.08. konnten die Schweden mit Hilfe ihrer technischen Einrichtung ein Fax nach Göteborg senden, in dem sie über die Vorfälle berichteten und welches zu einer Pressemitteilung führte, die auch in den deutschen Medien veröffentlicht wurde.

Ab diesem Zeitpunkt war dann kein direkter Kontakt mit dem BC möglich.

 

 

Die Träger für den Rückweg nach Askole waren am 06.08. angekommen.

 

Die verbliebene Mannschaft von Nordlicht 93 macht sich am 07.08. auf den Weg zurück in die Zivilisation.

 

Nachdem in Rawalpindi und Islamabad die notwendigen Formalitäten beim pakistanischen Tourismusministerium und der deutschen Botschaft erledigt waren, konnten sich Anatoli, Andrew und Ernst um die Heimreise kümmern.

 

Anatoli versucht auf dem Landweg nach Alma Ata zu kommen. Er rechnet damit, in etwa 6 Tagen sein Ziel zu erreichen.

Andrew fliegt nach Australien zu seiner Familie zurück.

Ernst haben wir am 19.08. in Frankfurt am Flughafen abgeholt.

 

Von Peter und Reinmar hat Ernst nur noch einige persönliche Sachen, wie z.B. das Tagebuch von Peter mitgebracht.

 

Rutesheim  25. August 1993

 

 

Anatoli Boukreev hat in seinem Buch "ÜBER DEN WOLKEN"  auf den Seiten 120-167 diese Expedition aus seiner Sicht im Detail beschrieben. Sehr lesenswert, kann ich nur empfehlen.

Anatoli ist seit 25. Dezember 1997 zusammen mit Dima Soubelev beim Versuch der Besteigung der Annpurna über den Westgrat und Annapurna Fang in einer Lawine verschollen.


dieser Gedenkstein befindet sich in unmittelbarer Nähe zu unserem Gedächtnishüttle dem Stützpunkt der Bergsteigergruppe der Sektion Schwaben des DAV beim Harpprechthaus in Schopfloch

das Gedächtnishüttle


das Harpprechthaus